Nirgendwo kam der Zynismus der Nationalsozialisten deutlicher zum Ausdruck als in Theresienstadt. Die Weltöffentlichkeit und die zur Deportation bestimmten Juden wurden planmäßig über den Zweck der Einrichtung getäuscht. Mit ihren Lügen über Theresienstadt sind die Nationalsozialisten nicht erfolglos geblieben: Bis heute hält sich das Bild des privilegierten „Altersghetto“. Immer wieder findet man in der Literatur Hinweise darauf, dass hier die Lebensbedingungen besser waren als in anderen Lagern, dass die Kinder und Jugendlichen in den Genuss von Schulbildung gekommen seien, nirgendwo fehlt der Verweis auf das kulturelle Leben im Ghetto. Dies alles gab es, doch wird dabei ein entscheidender Teil der Wirklichkeit ausgeblendet. Denn Theresienstadt war in das Programm der Ermordung der europäischen Juden eingebunden und von Hunger, Elend und einer hohen Sterblichkeit geprägt. Das Ghetto war hoffnungslos überfüllt und immer wieder gingen Transporte in die Vernichtungslager im Osten. Insgesamt wurden 141 000 Juden, vor allem aus der Tschechoslowakei, Deutschland und Österreich, nach Theresienstadt deportiert, nur 23 000 von ihnen überlebten den Holocaust. Wolfgang Benz zeichnet ein Bild der Realität zwischen Hoffnung und Vernichtung, zwischen Illusion und Untergang. Sein Buch ist der wichtigste Beitrag zu einer Gesamtdarstellung der Geschichte des Ghettos Theresienstadt seit dem Standardwerk des tschechischen Zeitzeugen Hans Günther Adler aus den 1950er Jahren. Die Frage nach dem Erbe von Theresienstadt und dessen heutiger Bedeutung für die Erinnerungskultur schließt den Band ab.
Wolfgang Benz, Prof. Dr., war von 1990 bis 2011 Leiter des renommierten Zentrums für Antisemitismusforschung (TU Berlin). Zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen Nationalsozialismus, Antisemitismus und vergleichender Vorurteilsforschung, u. a. „Was ist Antisemitismus?“ (2005); „Nach dem Untergang. Die ersten Zeugnisse der Shoah in Polen 1944-1947“ (2014); „Antisemitismus in der DDR. Manifestationen und Folgen des Feindbildes Israel“ (2018).
Moderation: Jörg Kaps
Eintritt frei!
Aufgrund der Pandemiebedingungen ist eine Voranmeldung zu dieser Veranstaltung erforderlich. Sie erhalten eine Bestätigung mit Informationen zu den dann gültigen Bedingungen für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen. Bitte melden Sie sich per Mail bei der LZT an: email hidden; JavaScript is required
Seit 2007 sind 160 Stolpersteine in Arnstadt verlegt worden, die an die von Nationalsozialisten ermordeten und vertriebenen Juden aus Arnstadt erinnern.
Mit dem Transport XVI / 1, der am 19.09.1942 über Weimar, Halle und Leipzig in das Ghetto Theresienstadt fuhr wurden 877 Jüdinnen und Juden deportiert. Von diesen Deportierten wurden 785 Menschen ermordet. Nur 92 Menschen überlebten. Unter diesen Deportierten befanden sich 14 Jüdinnen und Juden aus Arnstadt. Einzig Recha Stern, geb. Löwenthal überlebte. In einer späteren Einzeldeportation wurde Bernhardt Wolf im Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert. Dort von der Roten Armee befreit. Er überlebte als einziger Arnstädter diese Einzeldeportationen und wird 1945 durch die US Armee als Überlebender in Arnstadt erfasst.
Im Anschluss an diese Buchlesung möchte Jörg Kaps die Spendenaktion für eine Gedenktafel für die Arnstädter Inhaftierten im Ghetto Theresienstadt ins Leben rufen.